Hallo Karpfengemeinschaft! Ich heiße Pino und bin 25 Jahre alt, arbeite als Pfleger in einem Seniorenheim. Da es mir aufgrund meiner Dienstzeiten nur jedes zweite Wochenende möglich ist, eine Session zu starten, muss ich meine liebe Frau, die ich immer noch in mein Herz geschlossen habe, darauf vorbereiten.

Eine heilige Handlung – das Ausrichten der Ruten

Schritt eins:
Ich kreuze es dick und fett im Kalender an, in der Hoffnung, dass an diesen Tagen nicht wieder jemand Geburtstag hat oder ein sonstiges Großereignis ansteht. Zweitens versucht man, sich nichts anmerken zu lassen, denn in kürzester Zeit wird meine bessere Hälfte es schon selbst lesen. Einige Tage vergehen. Ich sitze abends gemütlich mit einer Flasche Bier im Wohnzimmer und sehe fern. Abrupt wird meine beschauliche TV-Idylle gestört. Ein schrill kreischendes, furienartiges Etwas kommt mit dem Kalender bewaffnet auf mich zugestürzt: „Piiinooo! Was ist das?“ Oh nein!!! Ich hatte vergessen, mich darauf vorzubereiten, sie darauf vorzubereiten. Und ich hatte es doch klitzeklein, nur per Lupe lesbar in den Kalender eingetragen!

Scheiße! Panische Gedanken schossen mir durch den Kopf: „Nein Schatz, das ist nicht, wie du denkst, ich mein’, ich wollte äähh…ehh… doch nur ein bisschen die Angel ins Wasser halten, du weißt schon – mit Boilie und so.“ „AHA!!! Mit Boilie und so! Das heißt also, ich blöde Kuh sitze wieder das ganze Wochenende alleine zu Hause!“„Aber nein, mein Schatz“, flöte ich, verzweifelt ein diplomatisches Hintertürchen öffnend: „Du kannst ja mitkommen, wenn du möchtest.“ „Mitkommen?“ brüllt sie mich an, „wer hat überhaupt gesagt, dass du fährst!?“ Das ist der Moment, in dem meine   Hoffnung wie eine Seifenblase platzt.

Jetzt bleibt mir nur noch eins übrig: Ich muss sie irgendwie dazu bringen, ihre Meinung zu ändern, das heißt, mich schnellstmöglich in eine Schnecke verwandeln und schleimen, was das Zeug hält. Und in den nächsten Tagen über dieses Thema kein Sterbenswörtchen verlieren, was mir verständlicherweise schwer fällt, da mein so wundervoll geplantes und ausgemaltes Wochenende immer näher rückt. Höchste Zeit, meine schwersten Geschütze aufzufahren: Ich wecke den Tiger in mir, werde im Haushalt „Meister Proper“ persönlich und entpuppe mich als potenter Anhänger des Kamasutra!

Ein toller Fisch für Pino

Geschafft!
Es klappt alles wunderbar, bis zu dem Zeitpunkt, da ich dem Tod ins Auge sehen muss und meine letzte Chance nutze, sie gnädig zu stimmen. Welch ein Glück! Sie will das Wochenende bei ihrer Mutter verbringen! So könnte ich doch noch meine müden Knochen am Weiher auskurieren. Einmal werde ich noch wach und dann endlich ist Freitag! Die Nacht ist qualvoll und zieht sich wie Kaugummi. Als ich wirklich aufgegeben habe einzuschlafen, schaue ich auf den Wecker: Mist, erst drei Uhr!

Soll ich es wagen, jetzt schon mal in die Garage zu gehen und mein Tackle ins Auto zu packen? Aber nach einem kurzen Blick nach links, wo meine bessere Hälfte im Gegensatz zu mir selig schlummert, lasse ich es doch lieber sein, um meine Ehe nicht aufs Spiel zu setzen und fahre vor meinem geistigen Auge schon mal die Montagen raus.
Endlich – sechs Uhr – springe ich aus dem Bett, gebe meiner noch schlafenden Frau einen schnellen Kuss, flüstere ein „Ciao“ Richtung Kopfkissen und verschwinde in die Garage, um das Auto zu beladen. Als ich etwa 20 Minuten später in meinem voll ausgerüsteten Mazda sitze, bemerke ich im Spiegel eine komische Gestalt, die aussieht wie der mysteriöse Yeti persönlich.

Doch es ist nur meine Frau, die so komplett zugeschnürt ist, dass man nur noch ihr Gesicht erkennt. Bewaffnet mit Wärmflasche und Wolldecke, kommt sie wie ein Sumo-Ringer auf mich zugestolpert und verkündet mir mit leuchtenden Augen, dass sie sich umentschieden hat und jetzt doch mitfahren will! Ja klasse, denke ich nur, ausgerechnet meine Frau, die schon friert, wenn sie vorm Kühlschrank steht, will mit mir im November drei Tage an den See. Na egal – ohne Lust auf lange Diskussionen, lade ich noch ihre Liege, eine Gasflasche und die Zeltheizung aufs Autodach. Schließlich hatte ich ihr ja auch angeboten mitzukommen.

Kaffee
Am Weiher angekommen, bauen wir gemeinsam unser Lager auf und bugsieren mit ihrer Hilfe meine neuen Wundermurmeln an die besten Stellen des Weihers. Zurück am Ufer, fällt mir gleich auf, wie schön es doch ist, wenn man eine Hilfe beim Aufbauen des Camps hat. Außerdem hat meine Frau ja auch recht, wenn sie sagt, dass wir viel zuwenig Zeit miteinander verbringen. Jetzt kommt der entspannende Teil des Tages und ich haue mich erst mal eine Runde aufs Ohr. Ein angenehmer Duft weckt mich. Meine bessere Hälfte hat frischen Kaffee gemacht und gibt mir einen Kuss auf die linke Wange. Während unseres Gesprächs beim Kaffeetrinken merke ich, dass es ihr langweilig wird. Von einem pädagogischen Impuls getrieben, beschließe ich, ihr einiges über das Karpfenangeln zu erzählen.

Den Gedanken freien Lauf lassen…

Da ich ja weiß, dass meine Frau keine Ahnung davon hat, gebe ich natürlich vor, als würde ich alles perfekt beherrschen. Dabei beschäftige ich mich erst seit zwei Jahren intensiv mit dem Karpfenangeln. Aber es fühlt sich richtig gut an, mal im Mittelpunkt zu stehen.
Eifrig drehe ich meine dritte Rute heran, um ihr das Auswerfen zu demonstrieren. Nach einigen leichten Probewürfen will ich ihr natürlich zeigen, aus welchem Stoff ihr Mann gemacht ist und versuche einen neuen Rekord im Weitwurf an unserem Waldsee aufzustellen. Leider vergesse ich dabei, den Rollenbügel umzulegen, hole in großem Bogen aus und reiße an der Rute bis zum Anschlag. Schepper! Das Blei fliegt echt sehr, sehr weit, nur hat die Montage vergessen, die Schnur hinter sich mitzunehmen. Selbstverständlich schiebe ich den Fehler auf den Rollenbügel, der sich bestimmt durch die Wucht meines Kampfwurfs umgeklappt hat. Jetzt kann ich ihr endlich zeigen, wie man eine neue Montage bindet.

Schleicher?!?
Die Stunden bis zum Abend verbringen wir damit, die richtige Zelttemperatur für die Nacht zu finden, da ja dank meiner neuen Heizung ihr entweder zu heiß oder zu kalt ist. Frauen! Da bisher noch kein Fisch angebissen hat, schlafe ich schließlich ein, werde aber bald durch ein Rütteln an meiner Liege wach und höre sie flüstern: „Pino, da draußen sind komische Geräusche und da schleicht etwas um unser Zelt!“. „Quatsch!“, murmele ich müde, fasele etwas vom böigen Wind und drehe mich souverän auf die andere Seite.
Sie lässt mir aber keine Ruhe, bis ich endlich draußen in der Kälte stehe, um selbst nachzusehen. Mit Kopflampe und Bankstick bewaffnet, tapse ich müde in Richtung der Geräusche die auch mir langsam etwas seltsam vorkommen.

Scheiße! Wegen der ganzen Aktion mit der Heizung habe ich total vergessen, die Boilies in den Baum zu hängen. Von vier Kilo mühsam gerollter Wundermurmeln ist jetzt nur noch die Hälfte übrig, den Rest hat sich ein Fuchs gut schmecken lassen, samt Tüte. Gereizt kehre ich wieder ins Zelt zurück und berichte meiner Frau, dass ich die Bestie gerade noch davon abhalten konnte, unser Lager auseinander zu nehmen. Okay, ein bisschen hatte ich wohl übertrieben und die Kampfgeräusche, die sie hörte, kamen von meinem Versuch, die restlichen Boilies in den Baum zu hängen, wobei ich mit fast den Hals gebrochen hätte.

Immer gern gesehen…

Druck!
Nach einer fischlosen Nacht und einem trotzdem noch gemütlichen Frühstück, verspüre ich einen vertrauten Druck in der Magengegend und eile mit meiner Rolle Charmin unterm Arm Richtung Wald. Endlich ein schönes Platzchen gefunden und eifrig bei der Sache, ertönt plötzlich ein lautes „Knaaattterrradüüüds“ aus Richtung Zeltlager, gefolgt von einem schrillen Schrei meiner Frau. „Piiiino! Biiiiiss!!!“ Mit der Hose auf den Knien eile ich ihr zur Hilfe, übersehe dabei den einen oder anderen Ast und hole mir so auch gleich die richtige Kampfbemalung ab. Schweißgebadet am Rod Pod angekommen, traue ich meinen Augen kaum: Sie hat den Fisch schon fast bis ans Ufer gedrillt, so dass ich die Rute nicht mal mehr übernehmen muss. Was bleibt mir anderes übrig, als den Kescher zu nehmen und – mit leicht gekränktem Anglerstolz – den Gehilfen meiner Frau zu spielen.

Geschafft! Der Karpfen liegt in voller Größe auf meiner Abhakmatte. Meine Fresse, was für ein Brocken! Sie startet ein Freudentänzchen, ruft: „Juhu, mein erster Karpfen und dann auch noch so ein Monster!“ Sie ist total aus dem Häuschen. Meine Freude erhält allerdings einen deutlichen Dämpfer, als die Waage über 32 Pfund anzeigt.

Damit hat sie meinen persönlichen Rekord eindeutig gebrochen! Peinlich, peinlich, wenn man bedenkt, dass sie erst vor ein paar Stunden gehört hat, wie ein Karpfen überhaupt aussieht! Klarer Fall von Anfängerglück! Der letzte Trost, der mir bleibt, ist das Wissen, dass meine Frau niemals einen lebenden Fisch anfassen würde und ich auf dem Fangfoto höchstselbst den Karpfen präsentieren darf.

Irgendwie freue ich mich ja schon für sie, aber innerlich nagt es in mir und sage ihr erst mal nicht, was sie „verbrochen“ hat. Nach gemeinsamem Versorgen des Carp verbringe ich den Rest des Tages damit zuzuhören, wie meine Frau es gleich am Anfang ihrer Angelkarriere geschafft hat, meinen „PB“ zu knacken. Das ist ja alles echt sehr informativ für mich, aber fast schafft sie es auch, mich damit zum Weinen zu bringen.
Der lang ersehnte Abend ist da und sie schläft endlich ein und hält die Klappe.

Auch bei Minusgraden eisern durchhalten

Traumkarpfen
Nach einigen Gebeten zum Karpfengott falle auch in den Schlaf und stehe auf einmal im Traum vor einem Standesbeamten der mich mit tiefer, keinen Widerspruch duldender Stimme fragt: „Möchten sie, Carphunter Pino, die hier anwesende Carphunterin Eileen zu ihrer rechtmäßigen Ehefrau nehmen“? Als ich sie, mein inniges „Ja, ich will!“ auf den Lippen, verliebt ansehe, zucke ich zurück: Unter dem weißen Schleier gleicht ihr Gesicht auffallend dem des Karpfens, den wir am Vormittag gefangen haben. Schweißgebadet werde ich wach und überhöre fast den geliebten Ton meiner Carpsounder.

Also rein in den Kampfanzug und ab nach draußen in den strömenden Regen. Nach einem kurzen Drill konnte ich einen schönen 18-Pfünder überreden, sich auf meiner Abhakmatte umzusehen. Schnell ist auch dieser Fisch versorgt und ich bin nass bis auf die Knochen. Trotzdem schlafe ich selig wieder ein, in den Schlaf gelullt vom Regen, der eintönig aufs Zeltdach trommelt und das die ganze Nacht. Unerbittlich wird es Morgen und mein Herz lacht schon beim Gedanken an den feuchten Abbau unseres Lagers. Kurz darauf sind wir unterwegs in Richtung Heimat und ich freue mich seit langem wieder mal darauf, Montagsmorgens im schönen warmen Altenheim zu arbeiten.

Was bleibt…
Und die Moral von der Geschicht´? Frauen braucht man oder nicht!
Zum Schluss möchte ich aber noch erwähnen, dass es trotz allem ein wunderschönes Wochenende mit meiner Frau war.

Pino Gioia

Noch ist Ruhe, aber wie lange noch?

Ein toller Sonneaufgang entschädigt für vieles…

Auch gern gesehen…